Mittwoch, 20. November 2013

Der (all)tägliche Wahnsinn einer Schwangeren

Ein ganz "normaler" Tag im Leben einer schwangeren Frau...

06:30 Uhr: Spätestens jetzt bin ich wach. Zum zweiten oder dritten Mal. Nicht gewollt oder etwa weil ich mich ausgeschlafen fühle. "Ausgeschlafen" - welch schönes Wort, was seit Wochen, mittlerweile nun schon seit Monaten, nur noch im Wörterbuch und in der eigenen Wunschvorstellung existiert. Die Zeiten, in denen ich mich am Wochenende bis um 11:00 oder 12:00 Uhr im Schlummerland befand, sind längst vorbei. Inzwischen kann ich mich kaum noch daran erinnern, wie es ist, dieses "Ausschlafen". Stattdessen drückt Montags bis Sonntags regelmäßig bereits um halb 7 in der früh die Blase. Man bemerke, dass man sich bis dahin mindestens 2 Mal ins Bad begeben hat, um seine Blase um gefühlte 10 Liter zu erleichtern. Ausschlafen oder gar Durchschlafen? Fehlanzeige!

07:00 Uhr: HUNGER! Der Magen meckert, und zwar in allen Tönen. Manchmal habe ich den Eindruck, dass Magen und Kühlschrank miteinander kommunizieren und ihre eigene Sprache entwickelt haben. Vor der Schwangerschaft war ich Spätfrühstückerin, durch und durch. Vor 10:00 Uhr bekam ich beim besten Willen nichts runter, keinen Happen. Nur Kaffee, und zwar literweise. Da Koffein bekanntermaßen in der Schwangerschaft auf der "roten Liste" steht, habe ich meinen Kaffeekonsum von durchschnittlich 8 Bechern am Tag drastisch reduziert. Aktuell genieße ich 2 Tassen am Tag. Starbucks & Co. haben dadurch sicherlich starke Umsatzeinbußen. Verzeihung! Dafür dürften der naheliegende Bäcker, die Bäckerei in Nähe meiner Arbeitsstelle sowie auch alle Fressbuden in unmittelbarer Umgebung und auch so einige Pizzerien von meinem Magen profitieren. Also alles wieder im Gleichgewicht! Mindestens zwei Brötchen oder Toasts und eine Banane später fühl ich mich besser. Mein Hunger ist gestillt, jedenfalls für die nächsten 45 Minuten.

08:00 Uhr:  Frisch geduscht: check, Babybauchölcremezupfmassage: check, Blase entleert: check, Haare schön: kein check! (was ist bloß mit den Haaren während der Schwangerschaft los?!)
               
08:10 Uhr: Das tägliche leidige Thema "Was ziehe ich bloß an?" wird mit Fortschreiten der Schwangerschaft noch leidiger. Ich bin nicht nur schwanger, ich sehe auch schwanger aus. 14. Woche: mein Bauch scheint einen eigenen Bauch entwickelt. zu haben. Durch die Zwillinge sehe ich mittlerweile schon aus, als wäre ich im 6. Monat. Babybäuche sind schön, ja, kein Zweifel. Doch an der Tatsache, dass die Hosen bereits im 4. Monat zwicken und die Blusen im Brustbereich zu explodieren scheinen, kann ich mich einfach nicht jeden Tag erfreuen.

08:35 Uhr: Nach mehrmaligem Umziehen, leichten Panikattacken, im bis oben hin vollgestopften Kleiderschrank nicht ein einziges Teil zu finden, das passt und in dem ich mich wohl fühle, habe ich es geschafft. Ich kann das Haus verlassen. Wenn da nicht schon wieder der schimpfende Magen wäre. Also noch schnell einen Joghurt inhalieren und etwas Schokolade für den Weg mitnehmen.

09:00 Uhr: Ich bin geschafft! Erledigt, fertig. Die tägliche Bahnfahrt ist die reinste Tortour. Seit ich schwanger bin, habe ich einen überaus ausgeprägten Geruchssinn entwickelt. Ich rieche auf gefühlte 800 m, und zwar alles. Menschen in vollgestopften Bahnen sind widerlich. Raucher, Leberwurstbrötchen-in-der-Bahn-Esser, Ungeduschte, nach-nassem-Hund-Riechende, Überparfürmierte... Ein Graus! Ich frage mich, warum Schwangere nicht als Spürhunde eingesetzt werden. Ich würde eine Ehrenmedaille verdienen!

09:15 Uhr: HUNGER(SNOT) - und zwar so dermaßen, dass ich das Gefühl habe, zu verhungern. Fühle mich innerlich ausgebrannt. Genieße jetzt erstmal mein zweites Frühstück: Kaffee, Minerwalwasser, einen Apfel, 1 belegtes Brötchen und 1 Laugenstange. Müsste für die nächste Stunde reichen.

10:30 Uhr: Ich schaue mir Videos bei Youtube an. Über Babys. Zwillinge. Zwillingsgeburten. Tränen steigen mir in die Augen. Ich bin gerührt. 

11:00 Uhr: Ich bin gereizt. Die Arbeit stresst mich, die Menschen stressen mich, von den Gerüchen der Menschen, denen man auch im Büro nicht entkommen kann, ganz zu schweigen. Ich fühle mich wie ein nervliches Wrack. Das einzige, was ich jetzt möchte: Mein Bett. Und Schokolade. Und Fleisch. Und überhaupt.

11:10 Uhr: Ich schreibe meinem Freund. Gerade bin ich liebesbedürftig. Ich brauche aufheiternde Worte. Ich möchte ein paar liebe Worte an ihn weitergeben. Er hat es nicht leicht mit mir. Ich finde mich selbst anstrengend. 

11:30 Uhr: Mein Hunger geht mir tierisch auf die Nerven. Ich erwische mich, wie ich ständig auf der Suche nach was Essbarem bin. Meine Kollegin hat Kuchenteilchen vom Bäcker auf ihrem Tisch liegen. Ob man mir einen Biss verzeiht? Ich bin doch schwanger.

11:45 Uhr: Ich habe Kekse gefunden.

13:05 Uhr: Meine Blasenstrichliste zeigt inzwischen 8. Seit Arbeitsbeginn. Ich habe wieder Hunger.

13:45 Uhr: Ich habe gesündigt. Ich schäme mich.. aber nur kurz! Eigentlich wollte ich diese Woche bloß ein Mal was von McDonalds essen. Einmal ist keinmal, zweimal sind keinmal. Was solls. McDonalds hat seit der Schwangerschaft eine magische Anziehungskraft auf mich. Wie ein Sog, dem man nicht entkommen kann. Mein Magen verlangt nach Burgern. Immerhin verzichte ich auf Pommes und Cola. So rede ich mir jeden Tag die Welt schön. Ich denke kurz darüber nach, ob ich es mir figurtechnisch leisten kann und stimme eindeutig mit meinem Körper überein. Wir dürfen das! Meint auch das Schokoladentäfelchen in meiner Schublade.

14:00 Uhr: Mir ist nach einem Mittagsschläfchen. Ich bin vollgestopft und träge. Zähle die letzten Minuten bis zum Feierabend. Da ich am Tag nicht mehr als 6 Stunden arbeiten darf, wofür ich mittlerweile mehr als dankbar bin, kommt der Optimismus wieder. Noch 2 Mal zur Toilette laufen bis Feierabend.

15:00 Uhr: Mit dem Feierabend kommt der Hunger. Kurzer Stop beim Bäcker auf ein süsses Teilchen to go.

15:20 Uhr: Endlich bin ich zu Hause angekommen. Der Weg? Bergsteigen unter Extrembelastung! Nach der Bahnfahrt, bei der ich schlauerweise nur durch den Mund geatmet habe, erreiche ich meinen Hauseingang. Innerlich bin ich schon am Heulen. 5 Stockwerke, kein Fahrtstuhl, mein Bauch, meine Schnappatmung und ich. Man könnte hier den Eindruck erhalten, ich sei eine übergewichtigte Frau. Dessen ist überhaupt nicht so. Vielmehr bin ich groß, schlank und sportlich (sportlich zumindest bis vor der Schwangerschaft). Für 5 Etagen, die auch im fitten Zustand nicht gerade in 30 Sekunden zu bewerkstelligen sind, brauche ich jetzt in etwa 3 Minuten. Die einzelnen Stufen - zäh wie Kaugummi. Meine Beine fühlen sich schlapp an, meine Knochen und Gelenke gleichen gefühlt denen einer 70jährigen. Es ist anstrengend. Ich ärgere mich darüber. Ich halte an, in der 2. Etage, dann nochmal in der 4. Etage und öffne anschließend mit pfeifender Lunge in der Hoffnung, dass keiner der Nachbarn mich durch den Spion beobachtet und sich ins Fäustchen lacht, völlig fertig die Wohnungseingangstür. Der Weg führt direkt in die Küche. Ich brauch erstmal etwas zu essen.

17:00 Uhr: Ein wenig Haushaltsarbeiten und viel Sitzen und Ausruhen später könnte ich schlafen. Ich könnte auch im Sitzen einschlafen. Bin müde, und zwar sehr. Der Tag schlauchte. Dass ich nur 6 Stunden gearbeitet habe ist gerade unvorstellbar. Ich fühle mich, als hätte ich einen 12-Stunden-Tag hinter mir.

17:30 Uhr: Auf der Suche nach Essbarem im Haus sehe ich sicherlich aus wie ein Hund, der bettelnd unterm Tisch sitzt, weil er nicht abkriegt. Natürlich weiß ich mir zu helfen. Taaaadaaa... es wird gekocht. Nudeln, geht schnell. Es ist schließlich fürchterlich unerträglich, bei solchem Heißhunger etwas zu kochen, das erst in einer Stunde fertig ist. Angst, dass ich während der Wartezeit alles andere aus dem Kühlschrank aufesse und dann das Gekochte nicht mehr esse, muss ich nicht haben. Was ein Glück!

18:30 Uhr: Ein Völlegefühl, das sich nicht in Worte fassen lässt. Ich denke, jetzt sehe ich aus, als wäre ich im 7. Monat schwanger. Und trotzdem könnte ich wieder was essen. Und zur Toilette. Und was essen. Ja.

19:30 Uhr: Nach ständigen Liegeversuchen rechts, links, auf dem Rücken, rechts, links.. finde ich endlich meine Schlafposition. Mir fallen die Augen zu. Der Tag war anstrengend. Ich würde gern noch wach bleiben, mich um meinen Freund kümmern, Zeit mit ihm verbringen. Aber ich schaffe es nicht. Ich schlafe. Und träume. Und zwar wirr, ziemlich verrückt und wirr. Bis zum nächsten Toilettengang.





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